/ August 17, 2018/ Eltern-Sein, Gewaltfreie Kommunikation/ 0Kommentare

Kann man bei einem kleinen Klaps auf die Finger von Gewalt sprechen? Noch dazu, wenn ich es vorher angekündigt habe? Schadet doch nicht, wenn es die Beziehung sichtlich nicht stört – und bringt Respekt! – Oder??

Mit Anfang Zwanzig hatte ich eine Freundin, die sehr jung Mutter geworden war. Ich besuchte die Alleinerziehende oft und hatte ein gutes Verhältnis zu ihrem kleinen Sohn.

Eines Nachmittags im Advent saßen wir um den niedrigen Couchtisch und der – ich schätze zwei- bis dreijährige  – Knabe begann, eine Handvoll Kekse zu zerbröseln und in meine Teetasse rieseln zu lassen. Da ich meinen Tee gerne brösel-frei trinken wollte, sagte ich ihm, dass er das nicht tun solle. Er machte weiter. Ich leerte meine Tasse weg und goss mir neuen Tee ein. Sehr ruhig erklärte ich ihm, dass ich ihm eins auf die Finger geben würde, wenn er noch mal Kekse in meinen Tee werfen würde. Der Kleine sah mich interessiert an, griff in die Schüssel und berieselte meinen Tee. Also gab ich ihm einen Klaps auf seine kleine Hand.

Ich kann mich nicht mehr an seine genaue Reaktion erinnern und weiß nur noch, dass die Mutter nichts dazu sagte. Jedenfalls blieb mein weiterer Tee danach ohne Keks-Zusätze und ich war sehr stolz auf meine erzieherische Leistung.

Ich war nach wie vor ein gern gesehener Gast und der Kleine nannte mich von da an begeistert „Tante Iris – Fingerklatsch“. Ich hatte ganz offensichtlich seinen Respekt und war zufrieden damit.

Heute überkommt mich heiße Scham, wenn ich an diese Begebenheit denke. Nicht einmal zehn Jahre später hätte ich jeden scharf angefahren, der meinem eigenen Kind auch nur ansatzweise körperliche Gewalt angedroht hätte. Und nichts anderes als körperliche Gewalt ist es, wenn ich mit meiner, in etwa dreimal so großen Hand auf die Patschhändchen eines Kleinkindes schlage – und sei dieser Schlag noch so „sanft“.

Ich weiß, dass ich als junge Frau gute Absichten hatte und mich niemals als gewalttätig gesehen hätte. Der Unterschied zu heute ist, dass mir die Folgen solchen Handelns bewusst geworden sind und ich mir Respekt nicht aufgrund von Machtausübung, sondern auf Basis von Kompetenz wünsche. Dass ich weg gekommen bin von dem Denken, was Kinder tun oder nicht tun sollten, und hin zu (jedenfalls dem Versuch) einer Achtsamkeit und Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse, die hinter ihrem Tun stehen. Und dass ich neue „Werkzeuge“ gefunden habe mit Kindern (und anderen Menschen) umzugehen – die die, die ich aus den Erfahrungen meiner eigenen Kindheit mitgebracht habe, teilweise ergänzen und teilweise ersetzen.

„Ja, aber wie sonst hättest du dem Kind klarmachen sollen, dass es deinen Tee in Ruhe lässt? Und ganz offensichtlich hat der kleine Klaps ja eurer Beziehung auch gar nicht geschadet! Ist es da nicht übertrieben, von körperlicher Gewalt zu sprechen?!“, werden manche jetzt vielleicht fragen.
Dazu beim nächsten Mal mehr…

(Elterninspiration für die Elternwerkstatt vom 19.12.2017)

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